Sonntag, 3. März 2013

Aus dem Redaktionsalltag: "Did you ask Kylie?"

Was bedeutet es, wenn man am Tag über 2000 Kalorien in Form von fettigen Buttercroissants, Schokolade, Latte Macchiato und Pasta zu sich nimmt und dabei auch noch ABnimmt? Ganz klar, frau hat Stress! Und so etwas passiert in einem Job "a million girls would kill for"? Tatsächlich!


Natürlich habe ich aus den Fehlern eines Frédéric Beigbeders gelernt, der in seinem Bestseller "39,90" schonungslos die Verlogenheit der oberflächlichen Werbewelt offen legte und dafür hochkantig aus der von ihm so zynisch durch den Textwolf gedrehten Branche flog. Ganz schön clever, der Monsieur Beigbeder, hatte er sich doch mit seiner Schreiberei längst ein zweites Standbein aufgebaut! Und so ist es heute mal an mir, Euch einen kleine Einblick in den Traumjob "Redakteurin bei einem Frauenmagazin" zu gewähren, der- da bin ich vorsichtiger als mein französischer Vorreiter- schon etwas zurückliegt. Sollte sich doch jemand angesprochen fühlen... hey, ich bin Autorin, und das hier ist doch alles fiktiv, oder?

Prolog
Als ich die Heiligen Hallen betrat, war mein erster Gedanke: "Ich hab's geschafft!" Okay, es war nicht die VOGUE und auch nicht Paris, leider klackten auch nicht die Absätze von Manolos und Jimmy Choos auf dem Linoleumboden, und niemand stolzierte mit einer am Handgelenk baumelnden Birkin Bag an mir vorbei, aber so what! Ich durfte endlich schreiben, und zwar nicht für das Oberurseler Stadtmagazin, sondern im renommierten Ambiente für die Frauen von Welt. Was wollte ich denn mehr? Übermotiviert und vollgepackt mit kreativen Ideen nahm ich mir vor, das Blatt, für welches ich schreiben sollte, regelrecht zu revolutionieren. Ein bisschen mehr "Armani statt Alnatura" schwebte mir vor, denn wer träumt sich zwischen Bügelwäsche und Kindergeschrei nicht gern mal in Luxuswelten?

Tag 23
Frühstück: 2 Buttercroissants, Latte Macchiato
Mittagessen: Undefinierbares Pasta-Gericht aus der Kantine
Snack: Tafel Schokolade, Latte Macchiato
Abendessen; Schüssel Cornflakes mit Sojamilch
Stimmungslage: Bedrückt bis verzweifelt

"Was hat die Leserin davon", eine Frage, die mich bis in meine Tiefschlafphasen verfolgt. Bei der bedenklichen Häufung dieses barsch herausgeschleuderten Denkanstoßes seitens meiner Chefin bin ich mittlerweile so weit, mich gedanklich voller Ehrfurcht vor unseren Leserinnen als die neuen weiblichen Einsteins und Stephen Hawkings dieser Welt zu verneigen. Immerhin erwarten die Frauen von heute, wenn sie sich zwischen einem terminlastigen Job und der fordernden Familie schon mal die Zeit nehmen, ein Magazin in die Hand zu nehmen, scheinbar erstklassig bis in die kleinsten Winkel ausrecherchierte Beiträge, die anspruchsvoll unterhalten und lückenlos informieren. Shame on me, die ich manchmal gelangweilt in der Bahn sitzend selbst die Hochglanz-Magazine motivationslos durchblättere, ohne mir daraus etwas für's Leben mitzunehmen. 

So weit ist der Arbeitsauftrag also klar. Ich brainstorme erst mal ungehemmt vor mich hin. Was hat die Leserin davon, wenn ich ihr erzähle, dass Pony-Frisuren ein fulminantes Comeback erleben, Neon-Farben auf den Nägeln der letzte Schrei sind und die Celebrities sich jetzt alle statt (oder zusätzlich zu) Botox Eigenblut unter die Haut spritzen lassen? Fragen, an denen man verzweifeln kann, ist man erst mal in die Tiefen des eigentlichen Wortsinns unter praktischen Aspekten vorgestoßen. Letztendlich wird nämlich alles irgendwann auf seine absolute Nichtigkeit reduziert, und am Ende fällt mir kein reißerisches Thema mehr ein, welches die informationsverwöhnte Konsumentin unseres Blattes noch hinter dem Elektro-Ofen hervorlocken könnte. 


Immerhin, das Eigenblut-Thema ist zwar "irgendwie eklig", aber immerhin reißerisch genug mit aktuellem Aufhänger ("Hat denn nicht die Demi (Moore) ... ?"), um als erwähnungswürdig zu gelten- natürlich nur als maximaler Fünfzeiler in den News. Ist klar, also dann mal 'ran an die Tastatur. Nach der bestmöglichen Intensiv-Recherche, die das begrenzte Zeitfenster hergibt, nehme ich völlig überzeugt Abstand von dieser Methode zur Hautstraffung, bin aber durchaus motiviert, dem Leser die Behandlung möglichst nahe zu bringen. Als zusätzlichen Appetizer hole ich noch Angelina (Jolie) und Kylie (Minogue) mit ins Boot, denn einschlägiger Presse zufolge sollen diese Damen auch auf den Geschmack der blutlastigen Hautverjüngung gekommen sein. 

Ein empörter Anruf meiner Chefin lässt mein dem Feierabend entgegen fieberndes Herz kurzzeitig nervös flattern. Wo denn bitte die O-Töne blieben? Ob ich mit Demi's Arzt gesprochen und auch mal bei Kylie nachgefragt hätte? Ähhh, nein, leider hatte ich immer nur ihren schnuckeligen Model-Freund Andres (Velencoso) am Telefon... Hektisch reiße ich ein weiteres, in sicherer Reichweite liegendes Schokoladenpapierchen auf und gönne mir erst mal einige Stücke knusprigen Keksspaß, der deutlich besser verdaut wird, als mein heutiges Text-Fiasko. Ich zweifle, ob ich jemals auch nur einen zufriedenstellenden Buchstabenbrocken zustande bringen werde. 


Halb Sieben, Büroschluss! Ich packe meine sieben Sachen und halte es heute einfach mal mit Scarlett O'Hara aus "Vom Winde verweht": "Verschieben wir's doch einfach auf morgen!!

4 Kommentare:

  1. Sehr schön geschrieben mit einem leichten Schuss Sarkasmus - das mag ich :D .

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  2. Herrlich geschrieben! Bin auf weitere Geschichten gespannt! :-)

    Liebe Grüße
    Dani

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    1. Ohh, da muß ich mal mit meinem Gewissen ringen, ob ich noch mehr Geschichten auspacke ;-). Danke Dir!

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